MUTTERSÖHNE

Was Nutten mit Tätowierern gemeinsam haben (Interview Teil 2)

Was Nutten mit Tätowierern gemeinsam haben (Interview Teil 2)

Zurück in der ältesten Tätowierstube in Deutschland. Zurück im Studio von Günter Götz. Diese Woche redet der dienstälteste Tätowierer des Landes ganz offen mit uns über Fehler aus seiner Anfangszeit, Tattoo No-Go’s und verrät, was ihn an der Branche so richtig stört.

 

All diejenigen unter euch, die den ersten Teil unseres Interviews noch nicht gelesen haben, sollten das zunächst in aller Ruhe nachholen, bevor es hier mit Teil zwei weitergeht 😉

Q: Gerade Touristen verbinden mit St. Pauli vor allem die Rocker auf ihren Harley-Davidson Maschinen. In wie weit hast du Erfahrungen mit den “harten Jungs” gemacht?

 

A: Ich habe vor langer Zeit das Hells Angels Symbol selbst gestochen und ein Mal übertätowiert. Mittlerweile haben diese Jungs ihre eigenen Tätowierer.

Q: Gibt es für Dich absolute Tattoo No-Go’s?

 

A: Im Grunde sind das Motive, die sich viele Minderjährige heutzutage stechen lassen wollen. Ich würde mir wünschen, dass sich diese Leute mehr Zeit nehmen und genauer überlegen, was zu ihnen und vor allem zueinander passt, anstatt belanglos mit 18 Jahren ins nächste Tattoo-Studio zu laufen, und jedem neuen Trend zu folgen.

 

Ich tätowiere Minderjährige mit Einverständnis der Eltern. Dabei berate ich sie gern. Nur wenn jemand Scheiße baut, spreche ich das auch an. Die sollen in zehn Jahren schließlich auch noch sagen können “Der Alte hatte recht”.

 

Außerdem tätowiere ich keine Schriftzüge mehr. Bevor ich mir einen Spruch auf den Körper stechen lasse, sollte ich ihn lieber an die Wohnzimmerwand schreiben und schauen, ob ich ihn nach zwei Jahren immer noch sehen kann. Gefällt mir mein Schriftzug eines Tages doch nicht mehr, ist er unfassbar schlecht für ein Cover-up geeignet. Da bleibt nur noch die Option eines Blackouts.

 

Dazu kommt, dass Schriftzüge meinst so klein sind, dass ich sie aus drei bis vier Metern Entfernung so gut wie nie lesen kann. Da gibt es natürlich die Leute die sagen “Ich mache das für mich”. Ach ja? Also das Einzige was ich für mich schreibe sind Notizen und Einkaufszettel.

Q: Gibt es etwas an der Tattoo-Branche, das Dich so richtig stört?

 

A: Dazu muss man die Geschichte in Betracht ziehen. Im Dritten Reich war das Tätowieren verboten. Meine Eltern sind in dieser Zeit aufgewachsen. Tätowierte waren nur im KZ. Die galten zur damaligen Zeit als Verbrecher. Ich habe ebenfalls in einer Zeit mit meiner Arbeit begonnen, in der das Tätowieren noch einen sehr schlechten Ruf hatte.

 

Mit MTV und VIVA kam in den 90er Jahren dann ein totaler Hype – und damit auch viele Tätowierer. Das Prinzip hat sich bis heute nicht geändert. Ich kaufe mir eine Tätowiermaschine, laufe zum nächsten Ortsamt und melde meinen Laden an.

 

Dazu braucht man keine Ausbildung, keinen Nachweis, keine Hygiene – nichts. Das ist etwas, was ich schon seit Ewigkeiten fordere und was unbedingt kommen muss: Grundvoraussetzungen für jeden, der Tätowierer werden will. So jemand muss bestens über Haut, Technik und Hygiene Bescheid wissen. Das gilt im Übrigen genauso für Permanent Make-up Künstler.

 

Das hat damals sowie heute dazu geführt, dass es viele Künstler gab und gibt, die einfach nur Scheiße bauen. Hauptsache, die Kohle stimmt. Und die Leidtragenden sind am Ende immer die Kunden.

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Q: Hast Du in deiner Zeit als junger Tätowierer auch mal Fehler gemacht?

 

A: Natürlich. Wenn ich eine Sache daraus gelernt habe, dann dass es kein “zu groß” für Tattoos gibt. Viele junge Tätowierer halten die Linienabstände nicht richtig ein, da wächst das Motiv nach einigen Jahren zu einem grauen Mischmasch zusammen. Dazu braucht man sich nur die Tattoos von älteren Leuten wie Hoffmann anzuschauen – da erkennst du kein Auge und keinen Schriftzug mehr. Auch ich habe früher geglaubt, alles richtig zu machen und später trotzdem die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn ich nach dreißig Jahren ehemalige Kunden mit zusammengewachsenen Tattoos gesehen habe.

Q: Zu guter Letzt: Was bedeutet es für Dich, auf dem Kiez zu arbeiten?

 

A: Um ehrlich zu sein: Ich hätte den Laden 1985 gerne in einer seriöseren Gegend aufgemacht. Aber das ging nicht, denn die Kunden haben uns hier gesucht. Trotzdem erfüllt mich diese Arbeit mit Stolz. Vor allem, dass ich Hoffman widerlegt habe.

 

Ich tätowiere jetzt seit 35 Jahren, Hoffmann hat 20 Jahre lang tätowiert. Er hat mir damals gesagt “Du wirst nie ein guter Tätowierer, weil du nicht volltätowiert bist.” Ich glaube, das habe ich widerlegt.

 

Das Studio ist genauso mein Lebenswerk, wie das von Hoffmann und ich möchte auch, dass meine Nachfolger den Laden so weiterführen. Deshalb habe ich das Haus gekauft. Ich könnte auch drauf pfeifen. Eine Million oder anderthalb würde ich bestimmt dafür bekommen und könnte mir ein schönes Leben machen. Aber so viel Geld würde ich niemals ausgeben – nicht in meinem Alter zumindest, da müsste ich schon neunzig werden. Ich will nichts mehr, als den Laden und den guten Ruf erhalten. Das Geld ist zweitrangig.


P.S.Die Arbeit der ältesten Tätowierstube in Deutschland könnt ihr euch auf https://www.die-aelteste.de/ anschauen. Falls ihr Anregungen, Ideen oder Wünsche für Blog-Posts rund ums Thema Tattoo habt, schickt uns gerne eine Nachricht auf Facebook oder eine E-Mail an: [email protected]

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